Schutz vor Gewalt geht vor - Opfer dürfen durch finanzielle Regelung nicht noch stärker belastet werden

(Februar 2016)

Schutz vor Gewalt geht vor - Opfer dürfen durch finanzielle Regelung nicht noch stärker belastet werden (Februar 2016)

Im Moment stehen Zimmer frei. Wegen Überbelegung mussten im vorigen Jahr 20 Frauen zunächst abgelehnt werden. Das sind reine statistische Daten - Fakten aus dem Alltag des Soester Frauenhauses. Dort haben auch einige Frauen Aufnahme gefunden, die aus Kriegsländern geflüchtet sind. Hinter jeder Zahl steht eine Frau, die massive Gewalt erlitten hat und oft aus dramatischen Lebenssituationen kommt.
Das ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem, machen Ulrike Dustmann und Doris Brunnberg deutlich.

Sie sprechen damit einen Punkt an, den sie selber als „unendliche Geschichte“ bezeichnen. Gemeint ist die, so Ulrike Dustmann, „unglückselige Tagessatzfinanzierung“, die die Opfer zusätzlich belastet. „Ein Skandal", sagt sie. Denn: Der Einzelfall entscheidet. Wer die Kosten für die Not-Bleibe, nicht selbst tragen kann, muss Sozialleistungen beantragen. Doch hier fallen ganze Gruppen raus: Dazu gehören Frauen mit eigenem Einkommen oder Studentinnen.

Sie müssen im Grunde auch noch dafür bezahlen, was ihnen angetan wurde. Dabei müsste es doch Aufgabe der Gesellschaft sein, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, vorzubeugen und den Schutz sicherzustellen, führen Ulrike Dustmann und Doris Brunnberg aus. Die geltende Regelung sei politisch nicht haltbar. Sie fordern mehr Unterstützung und eine verlässliche flächendeckende Finanzierung, stellen jedoch auch klar: „Wir stecken aber nicht in den Schwierigkeiten anderer Frauenhäuser.“ Damit gehen sie auf Meldungen über Einrichtungen etwa im Ruhrgebiet ein, die um ihre Existenz bangen und beklagen, die schnelle Hilfe werde immer schwieriger. „Wir haben eine enge Vernetzung mit dem Jobcenter“, betont Ulrike Dustmann, die ebenso auf „gute Erfahrungen mit den hiesigen zuständigen Behörden“ hinweist. „Außerdem haben wir einen starken Trägerverband im Rücken, der uns auffängt, damit wir nicht in eine Schieflage geraten“, erläutert sie. „Wir können Frauen unterstützen, ohne dass sie sich horrend verschulden.“

„Viele Betroffene mit Problemen beladen“

Gut 40 Frauen und 65 bis 70 Kinder lebten im vorigen Jahr unter dem Dach der Einrichtung. Die Verweildauer beträgt durchschnittlich drei Monate. Das bedeutet, dass einige Bewohnerinnen aufgrund ihrer persönlichen Situation auch viel länger bleiben. Etliche schleppen einen Sack voller Probleme mit sich: Ihnen nur ein Bett zu geben, reicht also nicht. Steht im Moment kein Zimmer zur Verfügung, werden die Frauen nicht abgewiesen: Dann werde abgeklärt, ob sie vorübergehend bei einer Freundin unterkommen können. Zeichne sich in Kürze ein Auszug ab, werde der Platz reserviert oder man frage nach Kapazitäten in anderen Häusern, nennt Ulrike Dustmann einige der Möglichkeiten. „Der Schutz vor Gewalt geht vor“, unterstreicht sie.

Das Angebot an kleinen, bezahlbaren Wohnungen in Soest ist knapp. Wer sucht, geht häufig leer aus. Es ist ein leidiges Dauerthema, auch im Frauenhaus. Ulrike Dustmann würde sich darüber hinaus eine stärkere Verknüpfung „aller Beteiligten“ wünschen, um Betroffenen nachhaltig zur Seite zu stehen und ihnen Wege zu weisen.

Nach: Soester Anzeiger, 09.02.2016

 

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